Terroranschlag in Wien: reden, reden, reden!
Ganz Österreich im Schock-Zustand: Wie erkläre ich meinem Kind den Terroranschlag in Wien? Expertin Mag.a Daniela Gasser-Pranter, Erziehungsberaterin bei den Wiener Kinderfreunden, gibt Antwort.
Nach dem Terroranschlag in Wien sind viele von uns verängstigt oder verunsichert. Die unangenehmen Gefühle und Ängste nach so einem Ereignis hallen lange nach. Vor allem Kinder und junge Menschen benötigen in der Auseinandersetzung damit unbedingt Hilfe und Erklärungen.
Wir fragen Mag.a Daniela Gasser-Pranter, Erziehungsberaterin bei den Wiener Kinderfreunden, wie Eltern ihren Kindern – aber auch sich selbst – bei der Bewältigung dieser Ausnahmesituation durch den Terroranschlag in Wien helfen können.
Terroranschlag in Wien: darüber reden hilft!
Wie verhalte ich mich am besten meinem Kind gegenüber?
Für Kinder ist eine ruhige, wenig aufgeregte Haltung ihrer Eltern in so einer Situation hilfreich. Damit Kinder keine bedrohlichen Fantasien und Ängste entwickeln, wenn sie etwas von den Nachrichten, aus Gesprächen oder im Spiel mit Freunden aufschnappen, ist es von Bedeutung, die Kinder altersentsprechend und in kindlicher Sprache aufzuklären. Wichtig ist es, bei der Schilderung der Ereignisse weder zu übertreiben noch zu bagatellisieren. Kinder können gut mit der Wahrheit umgehen. Sie sehen das viel pragmatischer als wir Erwachsene. Bei Ängsten oder Sorgen der Kinder signalisieren Sie Offenheit und Interesse, bieten Sie Gespräche an, zeigen Sie, dass Sie da sind und beruhigen Sie Ihre Kinder u.a. auch durch Körpernähe.
Welche Informationen braucht mein Kind?
- Was ist passiert?
Gestern in der Nacht ist etwas Schlimmes passiert. Ein Mann hat ein Verbrechen (ein Attentat, einen Anschlag) begangen. Er hat in der Wiener Innenstadt auf andere Menschen geschossen. Dabei wurden Menschen verletzt und getötet. Viele Menschen sind davongelaufen um sich in Sicherheit zu bringen. Polizei und Rettung haben alles getan, damit den Menschen geholfen wird und der Verbrecher keine weiteren Menschen verletzen kann.
- Viele Menschen sprechen von einem Anschlag, einem Attentat oder von Terroristen. Was bedeutet das?
Bei einem Anschlag oder einem Attentat macht eine oder mehrere Personen anderen Menschen Angst und verletzt sie. Terroristen, sind Menschen, die andere Menschen bei Attentaten oder Anschlägen verletzen und damit vielen Menschen Angst machen wollen. Terroristen versuchen mit Gewalt, dass die Menschen ihren Befehlen gehorchen. Das ist verboten!
- Was wird dagegen getan?
Die Polizei, das Bundesheer, die Regierung, der Bürgermeister und viele andere Personen beschützen uns und arbeiten für die Sicherheit von uns allen und kümmern sich darum, dass uns nichts passieren kann und alle Menschen wieder sicher sind.
- Sind wir in Gefahr?
Nein! Das Attentat/der Anschlag/das Verbrechen ist vorbei. Zu Hause bist du in Sicherheit, auch im Kindergarten und in der Schule kann dir nichts passieren. Die Polizei tut alles dafür, dass wir in Sicherheit sind und beschützt uns.
Wie kann ich meinem Kind im Umgang mit seinen Gefühlen helfen?
- Kinder verarbeiten Ängste und Sorgen auf unterschiedliche Weise. Vielleicht zeigen sie weinerliches, anklammerndes oder wütendes Verhalten. Gemeinsame Aktivitäten, wie Gespräche, Spielen, Malen und Bilderbücher anschauen können zu einem Zugang zu den unterschiedlichen Gefühlen der kindlichen Welt verhelfen. So werden diese besser besprechbar und verstehbar.
- Für Kinder, wie auch für uns Erwachsene ist es hilfreich, wenn wir erleben, dass die Welt noch genauso funktioniert wie zuvor. Es ist wichtig den Alltag gut zu strukturieren, die Dinge so zu machen, wie sonst auch. Schmieden Sie gemeinsame Pläne, planen Sie Dinge, auf die man sich freuen kann usw. Das ist zwar momentan ein wenig schwierig, aber mit Ausflügen, Spiele- oder Bastelnachmittagen oder einem gemütlichen Filmabend daheim, kann man sich auch jetzt helfen. Das gibt uns und den Kindern Sicherheit.
- Für die Kinder ist es auch wichtig, den Kindergarten und die Schule zu besuchen. Der Kindergarten/die Schule sind für die Kinder sichere Orte an denen alles genauso stattfindet wie vor dem Anschlag. Der bekannte Tagesablauf, die vertrauten PädagogInnen, die FreundInnen zum Spielen usw.
- Achten Sie zudem darauf neben den Kindern keine Nachrichten zu sehen. Die Bilder und Berichte in den Medien sind für Kinder sehr stark verängstigend und verstörend. Kinder im Kindergartenalter können zwischen Realität und Fantasie noch nicht ausreichend unterscheiden. Auch für ältere Kinder sind die ungefilterten Bilder und Meldungen erschreckend.
- Ihr Kind sieht und spürt wie es Ihnen geht. Kinder machen sich automatisch Gedanken und Sorgen darüber, was mit ihren Eltern los sein könnte. Auch hier können Sie entängstigen, indem Sie Ihrem Kind mitteilen, dass Sie z.B. weinen, weil Sie so traurig sind, dass Menschen verletzt wurden oder total wütend darüber sind, dass Menschen so ein Verbrechen begehen können. Auch Eltern dürfen Gefühle zeigen.
Was kann ich tun, wenn ich mich überfordert fühle oder den Eindruck habe, dass mein Kind zusätzliche Unterstützung braucht?
Sich nach solch ängstigenden Ereignissen überfordert zu fühlen, ist vollkommen normal. Besonders, da wir alle aufgrund der Pandemie und deren Auswirkungen schon vor dem Anschlag stark belastet waren und weiter stark gefordert sind. Zögern Sie darum nicht, Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Anlaufstellen: Hilfestellung & Beratung
Sie können sich jederzeit mit Sorgen, Fragen, Unsicherheiten und Ängsten – auch anonym – an folgende Beratungsstellen wenden:
- Psychologischer Dienst und Telefonseelsorge (24h-Hotline): 142
- Notfallpsychologischer Dienst Österreich (24h-Hotline): 0699 188 554 00
- Psychiatrische Soforthilfe für Wien (24h-Hotline): 01 31330
- Corona Hotline (aktuell auch mit dem Thema Terror befasst, 8-20 Uhr): 01 4000 53000
- Caritas Plaudernetz (12-20 Uhr): 05 1776 100
Für Kinder, Jugendliche und Eltern:
- Rat auf Draht: 147 (24h-Hotline):
- Servicetelefon der Kinder- und Jugendhilfe: 01 4000 8011
- Die Möwe- Kinderschutzzentrum: 01 532 1414
- Die Familienberatungsstellen der Wiener Kinderfreunde: 01 401 25 33
www.wien.kinderfreunde.at/Familienberatung
Infolinks für Kinder:
- kurzes Video für Kinder, mit kindgerechten Erklärungen zum Attentat in Wien: www.wien.kinderfreunde.at
Wichtige Informationen und Artikel für Eltern:
- „Wie man Kindern Terror erklärt“ von Hedwig Wölfl – Kinderschutzzentrum die Möwe
www.die-moewe.at/de/article/wie-man-kindern-terror-erklärt
- Artikel zum Thema Terror in Zeiten von Corona – Was brauchen Kinder und Eltern jetzt: „Wie man Terrortraumata verarbeitet“
www.science.orf.at/stories/3202701
- Informationsvideo für Eltern. „So können Sie Kindern einen Terroranschlag erklären“ – Interview mit dem Kinderpsychiater Dr. Patrick Frottier:
Fotos: ganz oben – GeorgGassauer / Shutterstock.com; privat
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