Gewaltfreie Kindererziehung: “Bitte nicht!”
Offener Brief eines Kindes an seine Eltern – ein dringender Appell für mehr Empathie und gewaltfreie Kindererziehung.
In letzter Zeit war in den (Sozialen) Medien mehr als Erschreckendes zum Thema Gewalt an Kindern zu lesen. Ein Vater, der sein Kind beim strafweisen Duschen verbrüht und tötet. Kult-Koch Jamie Oliver, der seiner Poppy den Mund mit einem Apfel in extrem scharfem Chilli verbrennt. Ein Artikel eines Tageszeitungs-Journalisten und Vaters, der sein Kind mit Ziehen am Ohr und leichten Schlägen auf das Hinterteil erzieht und das seinen LeserInnen als das optimale Erziehungskonzept empfiehlt. Zuletzt sogar Papst Franziskus selbst, der Verständnis für einen seine Kinder schlagenden Vater äußerte.
Wir sind sprachlos und fragen uns: Welt, was ist mit Dir los? Erwachsene, habt Ihr überhaupt nichts im Griff? Habt Ihr denn ganz vergessen, wie es war, als Ihr Kinder wart? Als wir ohnehin klein waren und nicht noch kleiner gemacht werden wollten? Hört doch einmal hin, was so manches Kind seinen Eltern gerne sagen würde, wenn ihm nur jemand zuhören würde … Gefragt ist Empathie (dazu lest hier KLICK mehr).
Liebe Mama / lieber Papa! Der Wunsch nach gewaltfreier Kindererziehung.
Irgendwann einmal war ich ein kleiner Punkt im Bauch meiner Mama. Heute bin ich viel größer, aber noch nicht ganz groß. Ich weiß schon ganz gut, was ich will, manchmal zu gut, sagt Ihr. Aber ich muss meinen Platz in diesem Leben finden. Ich muss vieles kennen lernen und ausprobieren, damit ich weiß, was gut für mich und die anderen ist. Eines weiß ich aber ganz sicher: Ohne Euch kann ich nur schwer überleben. Ihr gebt mir ein Zuhause, bei Euch habe ich es schön warm und sicher. Bei Euch habe ich mein Nest.
Nur manchmal, da bekomme ich schreckliche Angst, aus dem Nest zu fallen. Dann nämlich, wenn Ihr gar so böse auf mich seid. Ganz kalt wird mir dann, es fühlt sich an, als wäre ich gar nicht mehr ich. Ich wäre manchmal ja auch wirklich so gerne jemand anderer – ein Kind, das Euch mehr Freude macht. Das so ist, wie Ihr Euch das vorstellt. Mit dem Ihr nicht schreien und streiten und das Ihr nicht schlagen müsst. Das Ihr in die Arme nehmt und wiegt, wenn es sich so schämt für etwas, dass es laut schreien muss. Denn ich will das gar nicht, es kommt einfach so aus mir heraus. Und dann kann ich vor lauter Schreien gar nicht mehr damit aufhören.
Ach Mama, Papa, warum bin ich nicht Euer Wunschkind? Warum bin ich nicht so, wie Ihr das wollt? Ich versuche es ja, aber es geht einfach nicht. Irgendetwas passiert immer. So wie neulich, als ich beim Essen wieder mein Glas mit dem Saft umgestoßen habe. Ich mache das ja nicht absichtlich! Es tut mir so leid … Und es tut so weh, so weh, wenn Ihr dann so wütend schaut und nichts mehr mit mir sprecht. Und wenn dann Eure Schläge meinen Körper treffen, stelle ich mir vor, ganz, ganz weit weg zu sein und gar nicht mehr ich. Ich bin dann unsichtbar.
Ach, könnte ich nur wirklich unsichtbar sein, das wünsche ich mir mehr als alles andere auf der Welt. Ich würde dann in Euer Bett kriechen und ganz nahe bei Euch sein und Euren Atem spüren und bei Euch einschlafen. Mein Bett ist immer so kalt in der Nacht und wenn etwas knackst, sind das bestimmt Monster, die nur herauskriechen, wenn es ganz dunkel ist und die sich schnell verstecken, wenn Ihr kommt. Deshalb könnt Ihr sie auch nicht sehen, wenn Ihr in meinem Zimmer nachschaut. Aber ich habe verstanden, Ihr wollt nicht, dass ich bei Euch schlafe. Das ist in Ordnung für mich, aber Angst habe ich trotzdem.
Ich bin klein und Ihr seid groß. Ich bin allein und Ihr seid zwei. Ohne Euch bin ich nichts. Und irgendwann werde ich das wirklich sein … Einfach weg.
Eure Tochter / Euer Sohn
Zur Gesetzeslage: In Österreich ist jegliche Form von Gewaltanwendung als Erziehungsmittel untersagt. Österreich hat als weltweit viertes Land (nach Schweden, Norwegen und Finnland) das zentrale Kinderrecht auf gewaltfreies Aufwachsen gesetzlich festgeschrieben:
” …Eltern haben das Wohl ihrer minderjährigen Kinder zu fördern, ihnen Fürsorge, Geborgenheit und eine sorgfältige Erziehung zu gewähren. Die Anwendung jeglicher Gewalt und die Zufügung körperlichen oder seelischen Leides sind unzulässig. Soweit tunlich und möglich sollen die Eltern die Obsorge einvernehmlich wahrnehmen.” (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, § 137)
Tipps für Gewaltfreie Kindererziehung findet Ihr bei der Gewaltinfo.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!