Wochenbett: besser ohne Besuch?
Ruhe auf den Geburtenstationen tut den frisch gebackenen Mamas und den Säuglingen gut. In Zeiten von Corona wurde das Wochenbett zu einer besonderen Zeit, berichtet und eine junge Mutter.
Generell ist die Coronakrise natürlich eine schreckliche Zeit. Aber wie alles hat auch sie ihr Gutes. Das stellt man auf der Station der Klinischen Abteilung für Geburtshilfe der Univ.-Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Graz fest. Das derzeitige Besuchsverbot hat sich für die Mamas im Wochenbett und deren Nachwuchs als Vorteil entpuppt. Denn plötzlich genießen sie eine neue Zweisamkeit.
„Weil niemand kommt, können sich die Frauen auf sich und auf ihr Baby konzentrieren. Wie wir feststellen konnten, wirkt diese Ruhe auch positiv auf die Erholungsphase der Wöchnerinnen nach der Geburt und stärkt die Bindung zum Kind“, so Abteilungsleiter Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Schöll.
„Es läuft alles ruhiger ab“, betont auch Angelika Kronabitter-Benesch, Stationsleitung auf der Station Geburtshilfe 2. „Weil sich die Frauen jetzt auch tagsüber ausschlafen können oder Behandlungen nicht aufschieben müssen, weil grad die Tante daneben sitzt oder die Zimmernachbarin von ihrer Freundin samt Kindern besucht wird“, fährt sie fort. Viele der Behandlungen betreffen den Intimbereich der Frauen und sind undurchführbar, wenn Besuch da ist. Eine weitere positive Auswirkung: Auch die Babys sind entspannter und schlafen in der Nacht besser. „Das fällt im Nachtdienst auf. Wir haben dadurch auch mehr Zeit, uns um die Neuzugänge zu kümmern“, so Kronabitter-Benesch.
Wochenbett in aller Ruhe
Andrea Hrastnik hat ihren Valentin am 20. April zur Welt gebracht. Sie berichtet: „Seinen Bruder habe ich 2017 ebenfalls hier bekommen. Der Unterschied zu damals war enorm. Es hat so gutgetan, 24 Stunden für den Kleinen Zeit zu haben“, so die Steirerin. Außerdem meint sie: Man fühle sich viel freier, wenn man im Wochenbett keinen Besuch bekommt. Ob es der eigene ist – oder der Besuch der Zimmernachbarin.
„Beim Großen hab‘ ich z. B. sofort Leggins angezogen, um allzeit bereit für Besuch zu sein. Jetzt hab‘ ich das Nachthemd die ganze Zeit über anbehalten. Alles war herrlich stresslos. Wir Frauen waren ja unter uns, sonst gab’s das Krankenhauspersonal, das sich wunderbar um uns gekümmert hat. Vielen Dank nochmals dafür!“
„Auch wir genießen es, mehr Zeit für unsere Frauen zu haben, denn dadurch können wir unsere Philosophie noch intensiver in unseren Alltag einfließen lassen“, sagt Kronabitter-Benesch. Wichtig ist laut der Expertin im Wochenbett:
- den Frauen Sicherheit zu geben
- ihr Vertrauen in sich selbst zu stärken
- das Wissen zur Babypflege zu vermitteln
- die Freude über das Neugeborene zum Vorschein zu bringen
Konzentration auf das Wesentliche: das Neugeborene
Auch Katrin Reitbauer, Mama von Felix, sieht das Besuchsverbot und die Ruhe nach der Geburt positiv. Es hat für ihn und seine Mama zwar bedeutet, dass die beiden großen Geschwister nicht ins Krankenhaus kommen durften. Katrin: „Aber das war überhaupt kein Problem. Ich liebe meine Kinder natürlich über alles, aber erstens hatten sie seit Monaten auf Felix gewartet, da kam‘s auf die paar Tage auch nicht mehr an, zweitens sind sie ja vom Papa bestens versorgt worden und drittens hat mich Felix so für sich allein gehabt“, sagt Mama . „Es mag egoistisch klingen, aber ich fand’s toll. So ruhig wird’s nie mehr werden“, schmunzelt sie.
Die Väter sind aber nach wie vor gleich bei der Geburt zur Stelle und können im Kreißsaal dabei sein. „Die Väter sind ungeheuer wichtig. Sie sind eine unglaubliche Unterstützung für die Frauen“, betont Kronabitter-Benesch.
Studie zum Geburtserlebnis in der Coronakrise
Mit 1.April 2020 startete eine Studie zum Thema „Geburtserlebnis in der Coronakrise“. „Mithilfe standardisierter Fragebögen sollen u. a. die Auswirkungen der Situation auf die Wöchnerinnen dokumentiert werden“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Schöll, Abteilungsleiter der Klinischen Abteilung für Geburtshilfe der Univ.-Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Graz
Ob die Ergebnisse Auswirkungen auf den Stationsalltag haben wird, wird sich zeigen. Mama Andrea Hrastnik schlägt vor: „Ich würde die Besuchszeit auf eine Stunde pro Tag beschränken. Ich weiß natürlich, dass das für viele schwer vorstellbar ist, aber ich kann Ihnen sagen, dass so eine Beschränkung absolut im Sinne der Mütter und der Babys ist!“
Fotos: LKH-Univ. Klinikum Graz/Marija Kanizaj |
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