Die Psyche der Kinder ist durch die aktuelle Coronakrise belastet. Die ExpertInnen der Kinderliga schlagen Alarm.
Die aktuelle Gesundheitskrise belastet uns alle, ganz besonders aber die Psyche der Kinder, stellt die Österreichische Liga für Kinder- und Jugendgesundheit fest. (Über die Situation der Kinder- und Jugendgesundheit berichten wir Euch hier KLICK) Worunter leiden die Kinder vor allem? Das machen die Ergebnisse der Umfragen aus dem ersten Lockdown, präsentiert im Ligabericht, deutlich:
- Kinder und Jugendliche leiden am meisten unter den Kontaktbeschränkungen. Der direkte Austausch mit ihren sozialen Gruppen (Peers), aber auch mit Großeltern und Freunden wurde und wird für Wochen unterbrochen.
- Insbesondere Kinder aus bildungsärmeren Schichten verlieren nicht selten den schulischen Anschluss, Jugendliche erhalten nur mehr schwer Lehrstellen.
- Gewalt in Familien und psychische Probleme sind deutlich angestiegen.
- Fast alle medizinischen und therapeutischen Angebote, vor allem für Kinder mit Beeinträchtigungen, sind seit Monaten nur schwer zugänglich. Wichtige Therapiefenster bleiben ungenützt.
Belastete Psyche der Kinder
Dr.in Caroline Culen, Psychologin und Geschäftsführerin der Kinderliga, betont: Es ist jetzt höchste Zeit, die längst überfälligen Angebote für psychologische und psychotherapeutische Versorgung zu verstärken und diese niederschwellig, leistbar und wohnortnah für alle Kinder und Jugendlichen verfügbar zu machen.
„Gerade jetzt gilt es, nachhaltige Strategien zu verfolgen und nicht nur zu reagieren, sondern auch zu gestalten“, so Culen. Denn: „Gesundheit ist keine individuelle Entscheidung. Gesundheit darf nicht als Leistung des einzelnen Menschen gesehen werden, sondern als das Ergebnis sozialer Verhältnisse. Gesundheit hängt auch von den grundlegenden Werten einer Gesellschaft ab.“
Belastete Psyche der Kinder
Dr.in Christina Ortner, Professorin für Online-Kommunikation an der FH Hagenberg und Gastautorin des Ligaberichts verweist auf die Studie „Kinder, Covid-19, Medien“, die im Frühjahr 2020 durchgeführt wurde (Insgesamt nahmen 4322 Kinder aus 42 Ländern weltweit teil, davon 149 aus Österreich).
Die Ergebnisse zeigen:
- Die Kinder in Österreich nehmen die Krise im Frühjahr nur bedingt als gesundheitliche Bedrohung wahr. Nur 2% – und damit weniger als in allen anderen Ländern – gaben an, sehr beunruhigt zu sein.
- Auch hatten in Österreich weniger Kinder Angst, sie selbst könnten an COVID19 erkranken.
- Umso mehr sorgten sie sich darum, dass sie ihre Großeltern, Verwandte und FreundInnen lange nicht sehen könnten. Digitale Medien, die genutzt wurden, um Kontakte aufrecht zu erhalten, konnten den persönlichen Kontakt nur bedingt ersetzen.
- Auch die Alltagsstruktur der Kinder veränderte sich grundlegend, weil die Kinder nicht mehr außer Haus gehen durften, das Lernen selbst strukturieren mussten und viele Freizeitaktivitäten wegfielen.
Ortner berichtet, dass laut der Studie Kinder in der schwierigen Situation des Lockdowns ein großes Maß an Resilienz zeigten. Die befragten Kinder nannten Bewältigungsstrategien wie: Hinausgehen, frische Luft schnappen, Bewegung und Sport, Mediennutzung und anderen Freizeitaktivitäten. Aber nicht alle kamen mit der Situation gut zurecht. Eine wichtige Ressourcewaren Eltern und Geschwister.
Mindestmaß an Kontakten muss sein
Schulschließungen sollten laut Ortner möglichst kurz andauern. Bewegung an der frischen Luft und ein Mindestmaß an Kontakten zu Gleichaltrigen müssen möglich sein. Wichtig ist laut der Medienexpertin der Zugang zu Medien wichtig. Um Härtefälle identifizieren und eingreifen zu können, braucht es mehr Ressourcen für Kinderschutz- und Kinderberatungsstellen.
Dieser Forderung schließt sich Mag.a Hedwig Wölfl, Kinderschutzexpertin und Vizepräsidentin der Kinderliga, an. (weitere Tipps der Expertin lest Ihr hier KLICK) Eltern dürfen sich nicht genieren müssen, wenn sie ihr Kind in den Kindergarten oder in die Schule schicken wollen. Gerade für vernachlässigte Kinder oder solche, die zu Hause Gewalt erfahren oder bezeugen, ist das wesentlich. Denn Kinderschutz muss gerade jetzt aktiv und nachgehend verfolgt werden.
Wölfl: „Es gibt Kinder, die aufgrund von Schulangst seit Monaten nicht mehr in die Schule gehen, andere die zu Hause keinen sicheren und entwicklungsfördernden Homeschooling-Platz haben oder Babies, die viel weinen und deren gestresste Eltern überfordert sind – sie alle brauchen aufmerksame Menschen, die hinschauen und rasch die richtige Hilfe vermitteln.“
Obacht auf die Kinderpsyche geben
Den Frühe Hilfen, den Kinderschutzzentren und der behördlichen Kinder- und Jugendhilfe kommt im Lockdown eine besondere Bedeutung zu. „Jene Berufsgruppen im Kinder- und Jugendgesundheitsbereich, die jetzt für die psychosoziale Entwicklung und Gesundheit von Kindern besonders notwendig sind, wie beispielsweise Hebammen oder SchulpsychologInnen, müssen in ihrer wesentlichen Rolle der GesundheitsförderInnen aufgewertet werden“, fordert Wölfl.
Für die Vizepräsidentin der Kinderliga darf die Partizipation von Kindern beim Distance Learning nicht auf das digitale Zuhören beim Unterricht oder das Nachhüpfen von Turnübungen beschränkt sein. Hier ist pädagogische Kreativität und Achtsamkeit gefragt, damit auch beim Homeschooling die Teilhabe von allen Kindern und Jugendlichen gewährleistet bleibt.
Fotos: pixabay.com, beigestellt, Kneidinger Photography, beigestellt