Ausgrenzung: chronisch kranke Kinder gefährdet

In Österreich gibt es rund 190.000 chronisch kranke Kinder. Diesen droht zusätzlich zum gesundheitlichen Leidensweg Ausgrenzung. Hilfestellung bietet die Psychosomatik.


Schule, Freunde und eine angeschlagene Gesundheit sind für chronisch kranke Kinder oft schwer unter einen Hut zu bringen. Dadurch droht chronisch kranken Kindern Ausgrenzung: Sie laufen nämlich Gefahr, den Anschluss an ihre Gefährten zu verlieren und in eine Negativspirale zu fallen. Hilfe verspricht hier die Psychosomatik.

Chronisch kranke Kinder isoliert

L. ist ein intelligenter, begabter Volksschüler, der inzwischen seinen Alltag gut meistert. Er leidet an Überzuckerung (Diabetes mellitus Typ 1). Der Siebenjährige war in der Vergangenheit weder bei seinen Lehrern noch Mitschülern beliebt, da er sehr ungehorsam und auffällig aggressiv war. Die Eltern suchten daher verzweifelt nach einem Ausweg. Im Rahmen einer psychosomatischen Betreuung wurde sodann eine ADHS (Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung) diagnostiziert.

Auch Sport soll möglich sein.

Auch beim Sport können chronisch kranke Kids schwer mithalten.

Über Elterncoaching, psychologische und medikamentöse Behandlungen konnte L. geholfen werden. Zudem wird in der Heilstättenschule an der Klinik an seiner Motivation und Lernfreude gearbeitet. Der Bub ist nun besser in der Lage für seinen Diabetes zu sorgen. Er kann überdies in der Schule am Platz sitzen, gut mitarbeiten und sogar einen Sport ausüben.

Zukunftschancen nicht verbauen

Überzuckerung, Krebs, Stoffwechselstörungen, chronische Darmentzündungen oder Krampfanfälle sind nur einige Beispiele für chronische Erkrankungen bei Kindern. Doch damit nicht genug: Chronisch kranke Kinder haben zudem häufig mit psychischen Problemen zu kämpfen.

Geht man diesen Angelegenheiten nicht auf den Grund, kann dies in ernsten sozialen Schwierigkeiten münden, warnen Experten der Universitätsklinik für Kinder und Jugendheilkunde der MedUni Wien. Ausschluss bei sozialen Aktivitäten in der Gruppe oder Schule bis hin zu Isolation, Aggression, Depression, Rauswurf aus der Schule können die Folge sein. Die Kinder verlieren dadurch ihre Zukunftschancen und -hoffnungen. Dem kann man mit Hilfe der Psychosomatik gegensteuern.

Schule wird oft

Die Schule wird oft zur unlösbaren Aufgabe.

Schule und Krankheit – beides fordert

„Diese krankheitsbedingten Veränderungen im Kindesalter stellen nicht nur das Kind und die Familie vor große Herausforderungen, sie verändern das gesamte Alltagsleben“, betont Susanne Greber-Platzer, Leiterin der Universitätsklinik für Kinder und Jugendheilkunde der MedUni Wien. Für betroffene Kinder können ganz alltägliche Tätigkeiten wie Essen, Ankleiden, Körperpflege, usw. auf Grund ihrer Erkrankung zur Qual werden.

„Viele müssen eine strenge Diät halten, Broteinheiten berechnen, Medikamente einnehmen, beim Waschen und Anziehen auf liegende Gefäßzugänge, einen künstlichen Darmausgang oder Dialysekatheter achten. Traumatisierend wirkt auch ein Haarverlust unter Chemotherapie. Weitere zeitraubende und unangenehme Therapien umfassen intensive Hautpflege, Inhalationen und therapeutische Behandlungen. Besonders schwer verständlich sind sportliche Einschränkungen und das Verbot an Schulausflügen teilzunehmen“, fasst Greber-Platzer zusammen.

Negativspirale und Depressionen

Tägliche Herausforderungen machen es den Kindern schwer, im Alltag mitzuhalten, die Schule regelmäßig zu besuchen, Freunde zu finden und in der Freizeit gute Leistungen zu erbringen, etwa im Sport oder bei künstlerischen Tätigkeiten. „Das ist mit medizinischen Einschränkungen kaum möglich, die Folge ist der Verlust des Freundeskreises. Isolation und soziale Ausgrenzung werden zur Realität“, weiß Greber-Platzer.

Depressionen

Ausgrenzung und Depressionen hängen zusammen.

Und so kommt ein negativer Kreislauf in Gang: Die Familie verzweifelt, die Kinder versagen in der Schule, beim Sport, beim Hobby, bei den Freunden. „Die Schule kann nicht auf alle Rücksicht nehmen, der Lehrstoff muss eingehalten werden. Der Sport braucht leistungsstarke Kinder. Die Freunde versuchen, die Betroffenen zunächst einzubinden, irgendwann können diese aber das Tempo nicht mehr mithalten“, sagt Greber-Platzer. „Es kommt in jedem Bereich  zum begründeten Versagen, zum Verlust des Selbstwertgefühls bis hin zu Verhaltensauffälligkeiten oder Depressionen.“

Hilfe durch Psychosomatik

Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen haben zum Beispiel ein zwei- bis dreimal höheres Risiko an einer Depression bzw. einer anderen psychischen Störung zu erkranken. Jedes Zehnte dieser Kinder leidet somit an somatischen Beschwerden, hat also Kopf- oder Bauchschmerzen oder leidet an Schwindel und Erschöpfung.

Hilfestellung bietet die Pädiatrische Psychosomatik an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der MedUni Wien: „Unsere Arbeit gründet sich  auf einer ganzheitlichen Sicht des Kindes, seiner Familie und seines Umfeldes“, erklären die MedUni Wien-Expertinnen für Pädiatrische Psychosomatik, Claudia Klier und Anna Felnhofer. Sie orientieren sich an der Entwicklung des Kindes, seinen familiären und außerfamiliären Beziehungen. Gleichzeitig werden die Entstehungsbedingungen von Krankheit und Gesundheit beachtet.

zukunft

Greber-Platzer: Für einen sicheren Platz in der Gesellschaft.

Die Experten agieren präventiv, multiprofessionell und interdisziplinär. Behandelt wird in Kleingruppen mit klaren Bezugspersonen.  Inhalte aus der Pädagogik, Sozialarbeit, Medizin, Psychologie, Pflege und Heilstättenschule werden miteinbezogen. „Wir helfen diesen Kindern, damit sie auch in Zukunft einen sicheren Platz in der Gesellschaft haben“, betont Greber-Platzer.

 

Mehr Infos und Adressen für Eltern von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen oder mit chronischen Erkrankungen gibt´s bei der Selbsthilfegruppe Lobby4Kids

Zum Thema “Gleiche Rechte für chronische kranke Kinder” bitte HIER klicken.

 

Foto ©: pixabay.com

 

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