Barrierefreiheit statt Mitleid!
Barbara Sima-Ruml, berufstätige zweifache Mama im Rollstuhl, über Barrierefreiheit: Eine Behinderung ist nicht heilbar, aber das Behindern schon! Gastkommentar, 2. Teil.
Sandra, Jana und Michaela sind arbeitende Mütter. Das ist für Euch keine Erwähnung wert? Natürlich ist das allein schon eine Herausforderung. Aber diese Frauen sind zusätzlich behindert. Obendrein sind sie erfolgreich in ihrem beruflichen Fachgebiet. Trotzdem werdet Ihr wahrscheinlich nie über sie lesen oder hören – außer hier: Denn diese drei Frauen fallen nicht in die üblichen Medienklischees von Menschen mit Behinderungen.
Weder „meistern sie tapfer ihr Schicksal“ (Klischee: Heldin), noch sind sie „unverschuldet von Not gebeutelt“ (Klischee: Opfer). Sie sind einfach Teil unserer Gesellschaft. Und trotzdem muss Michaela den Kinderarzt für ihren Sohn nach nur einem Kriterium aussuchen: ist die Praxis für sie mit ihrem Rollstuhl barrierefrei oder nicht.
Barrierefreiheit muss selbstverständlich sein!
Im Jahr 2020 ist Barrierefreiheit für Ärzte eine Besonderheit – das könnte man wohl einen Skandal nennen. Gehen wir dem auf den Grund:
In Österreich ist es NICHT selbstverständlich, Kinder mit Behinderungen mit allen anderen Kindern zu unterrichten. Dabei wäre es das oberste Gebot der Inklusion, dass ALLE Kinder – auch jene mit schweren Behinderungen – als Teil der Gesellschaft akzeptiert und gemeinsam unterrichtet werden. Oft wurde Jana als Kind gehänselt, weil sie dicke Hörgeräte trug. Und den Lehrer nur verstehen konnte, wenn sie die Worte von den Lippen absehen konnte. Sie war die einzige Schülerin mit Behinderung weit und breit.
Auch Sandra hatte es nicht leicht, denn sie ist blind. Ihre erste Ausbildung zur EDV-Facharbeiterin ebnete ihr den Weg zur Matura. Darauf folgte ein abgeschlossenes Jus-Studium. Wow, sagt Ihr jetzt: Blind sein und studieren, das könnte ich echt nicht …
Nein, Schluss damit! Eine Behinderung ist nicht heilbar, aber das Behindern ist heilbar. Wir Menschen mit Behinderungen wollen nicht als arm bezeichnet werden. Denn wir wollen kein Mitleid und keine Almosen. Sondern wir wollen echte Inklusion in Form von Barrierefreiheit, gemeinsamem Unterricht und bezahlter Arbeit.
Barbara Sima-Ruml lehrt „Barrierefreies Bauen“ an der Technischen Universität Graz und an der FH Joanneum
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Fotos: pixabay.com; Gerhard Langusch
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