Familienalltag mit Corona & Auswirkungen auf die Jugend: Der Ausnahmezustand ist fast schon normal geworden. Der Familienalltag mit Corona dauert länger als angenommen. Das belastet natürlich unsere Psyche. Holt Euch hier Anregungen, wie wir diese Krise gut meistern können …
Es dauert schon so lange: Familienalltag mit Corona
Der Familienalltag mit Corona hat bei jedem von uns Spuren hinterlassen. Es hat sich demnach einiges verändert. Manche Eltern haben ihre Jobs verloren, andere hingegen werden auf Kurzarbeit umgestellt. Wieder andere sitzen plötzlich daheim am Küchentisch im Homeoffice. Und die Kinder? Sie pendeln zwischen Schulöffnungen mit Hygiene- und Abstandsregeln und Homeschooling. Der “neue” Alltag bringt natürlich viele Familien an ihre Grenzen. Der Ausnahmezustand dauert länger als ursprünglich gehofft und deswegen nagt das auch bei den Kindern am Seelenfrieden.
Depressionen bei Jugendlichen im Vormarsch
Eine Studie der Donau-Universität Krems (März 2021) verdeutlicht, wie sehr den Kids diese Situation psychisch zu schaffen macht. Demnach leiden 55 Prozent unter einer depressiven Symptomatik, die Hälfte unter Ängsten, ein Viertel außerdem unter Schlafstörung und bei 16 Prozent kreisen die Gedanken um Selbstmord. Wir haben daher bei der Psychotherapeutin und Autorin Gabriele Frohme nachgefragt, wie wir diese herausfordernde Zeit mit Corona gut überstehen können.
Ängste wegen Corona – was tun?
Gabriele Frohme: Grundsätzlich gilt: Ängste sind normal. Professionelle Hilfe ist jedoch dann angesagt, wenn sie z.B. nicht mehr allein bewältigt werden können, außer Kontrolle geraten oder der Betreffende sich deshalb aus seinem sozialen Umfeld zurückzieht.
Angst kann zu einer Depression oder anderen psychischen Erkrankungen führen. Eine therapeutische Unterstützung kann dabei helfen, sich einfach nur „neu zu sortieren“, andere Blickwinkel zu erkennen oder Strategien zur Angstbewältigung zu erlernen.
Corona und Familienalltag – wenn es daheim stresst:
Frohme: Wichtig ist, dass Befindlichkeiten wie Frust oder Wut angemessen geäußert werden. Auch wenn Familien auf wenigen Quadratmetern zusammenleben, ist es notwendig, Raum zu schaffen, um Aggressionen abzubauen, z.B. das Schlafzimmer als Turn-Wohnzimmer mit zu nutzen. So sind sportliche Betätigungen, die nicht viel Platz brauchen empfehlenswert, wie Trampolinspringen oder Workouts für Zuhause. Im Internet ist dazu einiges zu finden.
Wenn Bedürfnisse nach Sicherheit, Beziehungen etc. auf der Strecke bleiben:
Frohme: Die Sicherheit liegt darin, mit unsicheren Situationen auch unsicher umzugehen. Das bedeutet, sich die Verunsicherung auch einzugestehen. Alles andere ist eine Überforderung. Eine wichtige Rolle nehmen neben dem Telefon auch die neuen Medien im Alltag ein. So sehr sie oft kritisiert werden, hier sind sie als Segen zu sehen. Über digitale Kanäle können wir trotz Distanz in Blickkontakt bleiben. Auch Spaziergänge an der frischen Luft sind mit einer erlaubten Personenzahl – je nach Corona-Situation und Verordnung – möglich.
„Tools“ für eine gesunde Psyche in Krisenzeiten
Tipps von Gabriele Frohme
- Entspannung: z.B. mit Yoga oder Atemübungen. Das verringert Stress und stärkt das Immunsystem.
- Ruhepausen: Entschleunigen Sie sich z.B. mit einem Mittagsschlaf.
- Erinnerungen: Schwelgen Sie in angenehmen Erinnerungen, holen Sie sich schöne Ausflüge oder Urlaube ins Gedächtnis.
- Tagesablauf: Teilen Sie Ihren Tag nach Aktivitäten ein, z.B. Kochen, Arbeiten, Entspannungsübungen etc. Das befriedigt ihr Grundbedürfnis nach einer Struktur.
- Kontakthalten: Bleiben Sie mit anderen in Verbindung, sei es per Telefon oder über Soziale Medien. Mit wem haben Sie schon lange nicht mehr gesprochen?
- Kreativität: Finden Sie heraus, was Ihnen Spaß macht, vielleicht Malen, Schreiben oder Handarbeiten …
- Selbstgespräche: Führen Sie ruhig Selbstgespräche, stellen Sie sich auch vor, was Ihnen ein lieber Mensch antworten würde.
- Anregung: Suchen Sie etwas, das Sie stimuliert, z.B. einen Sprachkurs, ein neues Computerprogramm.
- Corona-Krisen-Tagebuch: Halten Sie fest, wie es Ihnen geht, was Ihnen fehlt und was jetzt gut ist.
- Selbstlob: Finden Sie fünf gute Eigenschaften an sich, freuen Sie sich über Ihr Hier-Sein.
In jeder Krise steckt eine Chance?
Frohme: Wir können uns dessen bewusst werden, was im Leben wirklich wichtig ist. Wir können in uns hineinhorchen und uns fragen, was wir mit unserer verfügbaren Lebenszeit machen möchten. Diese Fragen kommen in Krisen viel eher auf als im Alltag, wo wir funktionieren müssen. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir unser Verhalten reflektieren und unsere bisherigen Einstellungen und Prioritäten überdenken. Wenn wir es auch schaffen, künftig mehr Verantwortung für unser Handeln zu übernehmen – sei es auch nur im persönlichen Umfeld eines jeden, dann hat die Krise auch Positives bewirkt.
Buchtipp
Wer mehr für seine Psyche tun möchte, dem empfehlen wir die beiden Ratgeber von Gabriele Frohme:
- CORONA –Wie Sie die psychischen Herausforderungen meistern, TRIAS Verlag, Stuttgart 2020. (ISBN 978-3-432-11353-1, auch als E- und Hörbuch erschienen)
- Wie die Seele den Körper heilt, Trias Verlag, Stuttgart 2020 (ISBN: 978-343211140-7, auch als E-Buch erschienen)
Zur Person: Gabriele Frohme ist Psychologische Psychotherapeutin (Tiefenpsychologie) und Heilpraktikerin in Wuppertal. Seit ca. 30 Jahren hat sie eine eigene Praxis und leitet das Wuppertaler Institut für Transaktionsanalyse. Sie verbindet außerdem naturheilkundliche Verfahren, wie die klassische Homöopathie, mit Psychotherapie und Körperarbeit. (www.ta-wuppertal.de)
Wohin bei Krisen-Stimmung?
- Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP) boep.or.at, Helpline 01/504 8000, helpline@boep.or.at.
- Psychologische Online-Beratung im Zusammenhang mit Coronavirus auf psychnet.at.
- Die Initiative Erste Hilfe für die Seele von pro mente Austria unter erstehilfefuerdieseele.
- Rat auf Draht – Infos für Kinder, Jugendliche und Elternrund um Schule, Familie und Freizeit unter rataufdraht.at.
- TELEFONSEELSORGE: Notruf: 142, rund um die Uhr erreichbar sowie E-Mail und Chat-Beratung unter telefonseelsorge.at.
- Ö3 Rotes Kreuz Kummernummer: 116 123
Einen guten Überblick über das österreichweite Beratungs- und Betreuungsangebot gibt es zudem auf dem Österreichischen Gesundheitsportal (Hier klicken!).
Fotos: (c) Gabriele Frohme, TRIAS Verlag, pexels.com