Ein Schreibaby bedeutet für Eltern oft eine emotional und körperlich extrem belastende Zeit. Wichtig ist, sich rechtzeitig Hilfe zu holen.
Schreibabys machen Eltern hilflos
Endlich ist der ersehnte Nachwuchs da. Doch das Elternsein hat sich das junge Paar anders vorgestellt. Der Alltag dreht sich nur um das Beruhigen des Kindes. Das Baby schreit trotz aller Bemühungen anhaltend und die Eltern fragen sich verzweifelt was sie falsch machen. Inzwischen sind beide von Selbstzweifeln geplagt und fühlen sich nur mehr gereizt, müde und vor allem überlastet.
Wer in so einer Situation überfordert ist, braucht sich nicht dafür zu schämen und soll nicht die Schuld bei sich suchen. Etwa 13–15 Prozent der Babys sind sogenannte Schreibabys. Hintergrund ist oft ein Regulationsproblem der Kleinen. „Betroffene Babys können ihre körperlichen Zustände wie Müdigkeit oder Hunger nicht selbständig und nicht mit elterlicher Hilfe angemessen steuern. Dies äußert sich oft in anhaltendem, übermäßigem Schreien, Schlafproblemen und darin, dass sie sich kaum beruhigen lassen“, so Christine Sonn-Rankl, Leiterin der Schreiambulanz der Klinik Ottakring.
Professionelle Unterstützung holen
Anfangs ist die Sprache des Babys Weinen oder Schreien. So teilt es mit, dass es Hunger hat, müde ist, Nähe braucht oder sich unwohl fühlt. Schreien kann auch ein Zeichen von Stress, Langeweile oder dem Wunsch nach Nähe und Körperkontakt sein. Eltern lernen mit der Zeit, die verschiedenen „Weinarten“ ihres Kindes zu unterscheiden – und feinfühlig darauf zu reagieren. Doch manche Babys schreien stundenlang ohne erkennbare Ursache. Für Mütter und Väter wird das zur enormen Belastung.
„Wichtig in solch einer Situation ist es, sich rechtzeitig professionelle Hilfe zu holen. So können Eltern und Kind gemeinsam Entlastung finden und gestärkt durch diese herausfordernde Zeit gehen“, sagt Oberärztin Astrid Ladurner-Mittnik, Leiterin der Tagesklinischen Station für Säuglingspsychosomatik. Dort werden Familien aufgenommen, die zu Hause alleine mit der Situation nicht zurechtkommen.
Wie erkenne ich, ob mein Kind ein Schreibaby ist?
• Schreibabys schreien mehr als 3 Stunden täglich, an mehr als 3 Tagen pro Woche und das über einen Zeitraum von mehr als 3 Wochen – die sogenannte „Dreierregel“ nach Wessel.
• Sie lassen sich kaum durch Körperkontakt, Wiegen oder Füttern beruhigen.
• Schlafprobleme sind häufig – sie schlafen unruhig oder zu wenig.
• Sie reagieren besonders empfindlich auf Reize wie Licht, Geräusche oder neue Umgebungen.
• Oft zeigen sie eine erhöhte körperliche Anspannung, zum Beispiel durch Verkrampfen oder Überstrecken.
Wenn ihr diese Symptome bei eurem Kind erkennt, ist es wichtig, nicht zu lange zu warten. Eine frühe professionelle Begleitung hilft, den Stress zu reduzieren – für das Kind und die Eltern. „Viele Eltern kommen völlig erschöpft zu uns – und oft mit dem Gefühl, versagt zu haben. Wir sagen dann ganz klar: Sie haben nicht versagt, Sie haben genau das Richtige getan und Hilfe gesucht – und das ist der wichtigste Schritt“, betont Angela Zacharasiewicz, Vorständin der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde der Klinik Ottakring.
Tipp
Für den Alltag mit Säuglingen bewährt sich die sogenannte 1,5-Stunden-Regel: Denn Babys durchlaufen Wach- und Schlafzyklen von etwa 90 Minuten. Viele überreizte Babys geraten in eine sogenannte „Übermüdungsspirale“ – sie sind zu müde, um einschlafen zu können, und schreien sich dann regelrecht hinein. Hier hat es sich als hilfreich erwiesen, Babys möglichst nach etwa 1,5 Stunden Wachzeit zu unterstützen, wieder einzuschlafen – also noch bevor sie überreizt oder übermüdet sind. Mehrere kurze Nickerchen über den Tag verteilt, helfen besonders in den ersten Lebensmonaten, das Nervensystem zu stabilisieren.
Gefahr Schütteltrauma
In ihrer Verzweiflung und Unwissenheit versuchen überforderte Eltern, das schreiende Baby durch Schütteln zu beruhigen – in der Hoffnung, es „zur Vernunft“ zu bringen.
Doch genau das kann fatale körperliche Schäden verursachen: Die Nackenmuskulatur von Säuglingen ist noch nicht vollständig entwickelt, und ihr Kopf ist im Verhältnis zum Körper deutlich größer und schwerer. Wird ein Baby am Oberkörper gepackt und heftig geschüttelt, schleudert der Kopf unkontrolliert hin und her.
Die Folgen sind gravierend: Hirnblutungen, schwere Gehirnverletzungen sowie Sehschäden bis hin zur Erblindung durch Netzhautblutungen oder gar ein tödlicher Ausgang sind möglich.
Wo finde ich Hilfe mit einem Schreibaby?
Neben den Anlaufstellen des Wiener Gesundheitsverbundes findet ihr hier alle Adressen in Österreich: bitte klicken!
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