Babys und Allergien: Ist vorbeugen überhaupt möglich? Bereits zahlreiche Kinder leiden unter einer Allergie gegen Nahrungsmittel oder allergischem Asthma. Wie können wir unser Kind vor einer Allergie schützen, fragen sich daher schon werdende Eltern. Wir haben die aktuellen Erkenntnisse zu diesem Thema zusammengefasst.

Babys und Allergien: mehr Toleranz

Bei unseren deutschen Nachbarn sind es mehr als zwei Millionen Kinder, die von einer Allergie betroffen sind. Der Umgang der Medizin mit dieser Problematik hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert, berichtet die Stiftung Kindergesundheit. Während früher ein Vermeiden der Allergene oder ein möglichst später Beginn mit der Beikost empfohlen wurde, setzen Experten heute auf mehr Toleranz.

Immunsystem falsch gelenkt

Dieses zentrale Prinzip der Allergenmeidung erwies sich zunehmend als eine Sackgasse. Das sagt die Stiftung Kindergesundheit. Es wurde immer deutlicher, dass Verzögern und Vermeiden von Lebensmitteln mit allergenem Potential nicht wirklich etwas bringt. Das Immunsystem von Kindern kann sogar in eine falsche Richtung programmiert werden, erläutert Prof. Dr. Dr. Berthold Koletzko, Stoffwechselexperte der Universitätskinderklinik München und Vorsitzender der Stiftung Gesundheit.

Gewöhnung statt Vermeidung

„Ein früher Kontakt zu den vielfältigen Mikroben und Allergenen der Umwelt dagegen mobilisiert die Abwehrkräfte und führt so zu einer normalen Immunantwort und zum Aufbau einer Toleranz gegen Umweltantigene. Fehlen solche Reize, dann ist das Immunsystem gewissermaßen ‚unterbeschäftigt‘ und sucht sich seine Feinde selbst, um sie dann mit unerwünschten, allergischen Immunantworten zu bekämpfen“.


Statt Vermeidung wird heute eher zur Gewöhnung geraten, mit dem Fachwort „Toleranzinduktion“: Je früher und vielfältiger ein Kontakt mit potenziell Allergie auslösenden Stoffen entsteht, desto leichter lernt das Immunsystem den Umgang mit ihnen.

Fragen & Antworten zu Babys und Allergien:

  • Muss die Mutter in der Schwangerschaft und in der Stillzeit auf bestimmte Nahrungsmittel verzichten? Ganz und gar nicht. Für den Nutzen von Essenseinschränkungen gibt es keine Belege: „Schwangere sollten sich nach Lust und Laune, freilich möglichst ausgewogen und abwechslungsreich ernähren“, empfiehlt Prof. Koletzko.
  • Braucht das Baby eine hypoallergene Flaschennahrung? In den ersten sechs Monaten sollte das Kind gestillt werden – für die Dauer von mindesten vier Monaten ausschließlich. Auch nach der Einführung von Beikost sollte weitergestillt werden, betont Prof. Koletzko. Bei handelsüblicher Säuglingsnahrung gilt sogenannte HA-Nahrung als sicher. Sojanahrung, Ziegenmilch oder Getreidedrinks sind zur Allergievorbeugung nicht geeignet.
  • Beeinflusst der Beginn der Beikost-Fütterung das Allergierisiko? Das Alterszeitfenster von vier bis sechs Monaten für die Beikost-Einführung gilt als effektivester Zeitraum, um das  Allergierisiko zu senken. Das geht aus der neuen europäische Leitline zur Allergieprävention hervor.
  • Müssen Kinder aus Allergiker-Familien hochallergene Nahrungsmittel meiden? Sie sollten, wie andere Kinder auch, ab dem vollendeten vierten Lebensmonat möglichst zügig eine vielseitige Kost kennenlernen. Allerdings zur Prävention einer Allergie gegen Hühnereiweiss sollten Eier erst ab dem fünften Lebensmonat auf dem Speiseplan sein. Dabei gilt: Nur in verbackener Form oder hart gekocht.
  • Ist ein Haustier schädlich für das Baby? Haustiere gelten nicht mehr als Allergierisiko. Kinder, die in den ersten drei Lebensjahren mit Hunden aufwachsen, entwickeln sogar seltener Allergien und Asthma als Kinder ohne Hunde. Eine Einschränkung bleibt: Wenn in einer Familie hohes Allergierisiko besteht oder das Kind bereits unter einem atopischen Ekzem (Neurodermitis) leidet, sollte keine Katze neu angeschafft werden.
  • Was gilt für Milben? Die Verwendung milbenallergendichter Matratzenüberzüge (Encasings) ist nur dann nützlich, wenn jemand in der Familie bereits unter einer nachgewiesenen Allergie gegen Hausstaubmilben leidet.

Bauernhof, Kaiserschnitt und Antibiotika

Kinder gehören nicht unter die Käseglocke, betont die Stiftung Kindergesundheit. Mehrere Studien unterstützen die sogenannte Hygienehypothese, auch Bauernhof- oder Urwaldhypothese genannt. Sie beruht auf der Beobachtung, dass Allergien vor allem unter Stadtbewohnern zunehmen. Zudem hat sich herausgestellt, dass Bauernkinder mit Zugang zum Stall und zu Tieren deutlich seltener an Asthma, Heuschnupfen oder anderen Allergien erkranken als Kinder, die nicht auf einem Bauernhof leben.


Es gibt Hinweise darauf, dass Kinder, die durch Kaiserschnitt zur Welt kommen, ein erhöhtes Allergierisiko haben, weil ihnen der Kontakt zu den Keimen der Mutter fehlt. Auch bei Babys, die schon früh mit Antibiotika behandelt werden müssen, ist das Risiko erhöht. Ob unter bestimmten Bedingungen die prophylaktische Einnahme von sogenannten Probiotika oder Präbiotika sinnvoll sein könnte, wird zurzeit intensiv untersucht und diskutiert. Für generelle Empfehlungen ist es jedoch noch zu früh, betont die Stiftung Kindergesundheit.

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