Nähen mit Bio-Stoffen

Spätestens, wenn man für die eigenen Kinder an der Nähmaschine sitzt, beschäftigt man sich auch meist genauer damit, woraus man Kleidung, Spielsachen & Accessoires näht. Doch wo findet man Stoffe aus kontrollierter Herstellung? Worauf sollte man beim Kauf ebendieser achten? Fragen, die sich auch Romana Massong gestellt hat und kurz darauf ihren eigenen Versand für Bio-Stoffe gründete … 😉

  • Bildschirmfoto 2016-08-06 um 22.20.15Frau Massong, wie kamen Sie auf die Idee einen (Online)Shop für Biostoffe ins Leben zu rufen?

    Als ich vor ca. vier Jahren begann, Kleidung für meine Kinder selbst zu nähen, war für mich klar, dass ich dafür Stoffe aus ökologischer und fairer Produktion verwenden wollte. Diese zu kaufen, fand ich aber schwierig.
    Es gab hier ein bisschen, dort ein bisschen, und insgesamt wenig. So entstand der Wunsch nach einem Shop, in dem es ausschließlich Bio-Stoffe in großer Auswahl gibt. Und da es so ein Geschäft in Österreich nicht gab, gründete ich 2013 mein Unternehmen Biostoffe.at.

  • In Ihrem (Online)Shop verkaufen Sie Stoffe, Schnittmuster und Zubehör rund ums Nähen. Wonach entscheiden Sie, was Sie Ihren KundInnen anbieten?


    Wesentliche Kriterien für all unsere Produkte sind: biologisch, schadstofffrei und fair. Unser Kunden sollen sicher sein können, dass sie bei uns mit gutem Gewissen kaufen können, ohne erst recht wieder jedes Produkt unter die Lupe nehmen zu müssen. Bei den Stoffen ist die Auswahl für uns relativ einfach, da die Kriterien recht eindeutig sind, beim Zubehör gestaltet es sich viel schwieriger. Wo es naturgemäß keine Bio-Variante gibt, achten wir auf umweltfreundliche Materialien und möglichst regionale, d.h. zumindest europäische Produktion.

    Ein paar Beispiele: Statt Plastik-Druckknöpfen aus asiatischer Produktion gibt es bei uns Metalldruckknöpfe aus Deutschland; Kordeln werden aus wiederverwerteten Textilresten in Italien hergestellt, Stecknadeln stammen von einem traditionsreichen französischen Betrieb.JOA_9420

  • Manche denken vielleicht, dass es in einem Bio-Stoffladen überspitzt gesagt nur „Hippie Stoffe“ gibt, dabei ist die Auswahl groß, oder?

    Wie auch in vielen anderen Branchen hat sich im Bio-Sektor in den letzten Jahren sehr viel bewegt. Genauso wie bei fertiger Bio-Kleidung gibt es auch bei Bio-Stoffen mittlerweile weit mehr als nur langweilige „Ökostoffe“. Vor allem in der Strickstofferzeugung, das sind Stoffe wie Jersey, Sweat, Nicki usw. wächst das Angebot enorm. Die klassischen Naturstoffe machen somit eigentlich nur einen kleinen Teil unseres Sortiments aus.

  • Welche Kriterien muss ein Stoff erfüllen, damit Sie ihn Ihren KundInnen anbieten?

    Unser Grundsatz ist, dass unsere Produkte aus umwelt-, tier- und menschenfreundlicher Produktion stammen müssen. Das bedeutet: Rohstoffe aus kontrolliert biologischem Anbau bzw. kontrolliert biologischer Tierhaltung oder Recycling-Material, schadstofffreie und umweltschonende Produktion und faire Arbeitsbedingungen. Ein sehr wichtiger Standard, mit dem diese Kriterien abgedeckt sind, ist der Global Organic Textile Standard (GOTS). Produkte, in deren gesamter Produktions- und Vertriebskette alle Betriebe zertifiziert sind, dürfen mit dem GOTS-Label verkauft werden. Als einziger österreichischer Einzelhändler haben wir unseren Betrieb nach GOTS zertifizieren lassen.

    Bei Stoffen, die nicht nach diesem Standard zertifiziert sind, prüfen wir die Kriterien einzeln. Die Mindestanforderungen sind: Rohstoffe aus biologischem Anbau oder aus recycliertem Material stammen, Schadstoffreiheit und faire Arbeitsbedingungen.

  • Gerade bei Kinderkleidung ist es Eltern ja oft wichtig, zu wissen, wo diese herkommt bzw. woraus diese besteht. Die Idee, auch selbst Biostoffe zu vernähen, liegt daher ja eigentlich nahe …

    Ja, absolut, das war ja auch mein Wunsch. Wenn man sich schon die Zeit dafür nimmt, Kleidung für seine Kinder selbst zu nähen, wäre es doch unheimlich schade, dafür minderwertige, schadstoffbelastete Stoffe zu verwenden.

    Oftmals wird auch die Frage gestellt, wie weit sich selbst Nähen finanziell lohnt. Die Preise der sehr günstigen Massenware der gängigen Textilketten kann man mit Eigenproduktion natürlich kaum unterbieten. Vergleicht man jedoch mit Kleidung aus bio-fairer Produktion, kann man durch selbst Nähen durchaus Geld sparen, oder zumindest kommt man auf die selben Kosten, hat dafür aber ein individuelles Einzelstück.

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    Haben Sie eine Erklärung dafür, warum in unserer schnelllebigen Zeit alles rund ums „Selbermachen“ wieder einen so hohen Stellenwert hat bzw. diesen Trend so viele mitmachen?

    Ich glaube, dass etwas selber zu machen, mit seinen Händen etwas zu schaffen, etwas ist, was in Menschen Glück und Zufriedenheit erzeugt, in unserer modernisierten Gesellschaft im Alltag aber sehr verloren gegangen ist. Viele Tätigkeiten, die vor ein paar Jahrzehnten noch das tägliche Leben geprägt haben, gibt es so nicht mehr. Das Berufsleben hat sich sehr verändert, es gibt immer weniger Menschen in produzierenden Berufen. Einerseits weil heutzutage vieles maschinell erzeugt wird, andererseits weil sehr viele Produktionsstätten in Billiglohnländer ausgelagert wurden.
    Aber auch im Privatleben sind viele Tätigkeiten obsolet geworden oder werden delegiert. Ich denke da z.B. an Herstellung und Reparatur von Kleidung und Haushaltsgegenständen. Heutzutage ist es rein finanziell gesehen sinnvoller etwas neues zu kaufen, als es zu reparieren. Wer stopft denn z.b. noch Socken? Selbst tägliches Kochen ist in vielen Familien nicht mehr selbstverständlich, weil tagsüber kaum noch jemand zuhause ist. Was für unsere Eltern und Großeltern also noch notwendiger Teil des Alltags war, ist für uns quasi zum Hobby geworden und wird auch regelrecht zelebriert. Das ist auch der Grund, weshalb Bücher, Blogs, TV-Sendungen zum Thema Kochen, Handarbeiten, Gärtnern usw. boomen!

    Gleichzeitig ist auch das Bewusstsein für die Probleme, die die billige Massenproduktion mit sich bringt, gestiegen. Gerade im Textilbereich hat durch Tragödien wie den Einsturz des Rana Plaza in Bangladesh vor drei Jahren ein Umdenken stattgefunden, das auch über die klassische „Öko“-Zielgruppe hinausgeht. Eigenproduktion oder Herstellung durch ein lokales Unternehmen hat dadurch wieder einen höheren Stellenwert. Leider sind wir von den Preisen der großen Modeketten viel zu sehr verwöhnt und haben das Gefühl dafür verloren, was ein Kleidungsstück tatsächlich wert ist. Letztlich zeigt sich bei näherer Betrachtung aber, dass es gar nicht so viel teurer ist, sich ein lange haltbares Kleidungsstück zu leisten, als fünf billige zu kaufen.

  • Eine wahrscheinlich rhetorische Frage: Nähen Sie selbst auch (noch)?

    Ja, wie schon eingangs erwähnt, hat damit auch alles begonnen. Leider bleibt mir aktuell weniger Zeit als mir lieb wäre. Aber zumindest meine beiden Söhne tragen überwiegend selbst Genähtes (und wünschen sich das auch!).

  • Sie sind selbst Mutter von zwei Söhnen. Wie schaffen Sie es, Familie und Job so zu vereinen, dass keiner bzw. nichts zu kurz kommt?

    Also ganz ehrlich: Das schaffe ich gar nicht 😉 Und von dieser Vorstellung muss man sich wohl verabschieden, egal, ob man selbständig ist oder nicht und – vor allem – wenn man Kinder hat. Der Tag hat nun mal nur 24 Stunden und es ist illusorisch zu glauben, dass man die Zeit immer gerecht auf Job, Familie, Partnerschaft, Hobbies, Sport, Sozialleben usw. aufteilen kann. Die Energie fließt jedoch im Optimalfall immer dort hin, wo sie gerade am nötigsten gebraucht wird 😉

    Sehr wichtig ist hier aber zu erwähnen, dass ich mit meinem Mann einen großartigen Partner an meiner Seite habe. Er hat sich von Beginn an stark in die Kinderbetreuung eingebracht und sowohl für ihn als auch für mich war immer klar, dass er nicht automatisch Hauptverdiener ist und ich überwiegend die Kinder betreue, sondern dass wir für alle Varianten offen sind und dass wir Entscheidungen nicht nur aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen treffen. In den letzten Jahren war er teilzeitbeschäftigt, wodurch mir ausreichend Zeit für den Unternehmensaufbau zur Verfügung stand. Vor kurzem haben wir den Schritt gewagt, nur noch von unserem Unternehmen zu leben. Derzeit bedeutet das, dass mein Mann den Hauptteil der Kinderbetreuung übernimmt und ich mich in die Arbeit stürze.

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    Haben Sie einen Tipp für Frauen, die den Wunsch haben, sich selbstständig zu machen?

    Ich glaube das Wichtigste – egal ob Mann oder Frau – ist, etwas zu finden, für das man brennt, das man wirklich gerne machen will. Sich nur der Selbständigkeit wegen etwas zu suchen, das man machen könnte, halte ich für den falschen Weg.

    Zudem sollte man sich gut überlegen, ob für einen persönlich die Vorteile überwiegen. Selbständig zu sein hat viele positive Seiten, aber gegenüber eine Festanstellung mit fixem Einkommen auch viele Nachteile.

    Für Frauen, und im Speziellen für Mütter, finde ich es wichtig, sich vom Vater der Kinder bzw. im Optimalfall von der ganzen Familie ausreichend Rückendeckung zu holen. Leider ist die Realität selbständiger Mütter ja oft so, dass sie sich die nötige Arbeitszeit mühevoll absparen müssen, meist wird gearbeitet, wenn die Kinder schlafen und nicht zuletzt aufgrund mangelnder Einkünfte wird das ganze Unterfangen von der Familie nicht mal richtig ernst genommen und wird gar nicht als Berufstätigkeit wahrgenommen. In vielen Fällen ist das Scheitern so schon vorprogrammiert, weil die Tätigkeit langfristig nicht über ein sich selbst finanzierendes Hobby hinauskommt.

    Wenn man wirklich Nägel mit Köpfen machen will, sollte man sich also unbedingt die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, um genug Zeit zu haben ohne ständig an der Grenze des Zusammenbruchs zu stehen.

Gewinne mit Familienschatz
Unser Interview hat Dich neugierig gemacht und Du würdest gerne mal mit Schätzen aus dem Sortiment von Biostoffe.at nähen? Dann mach bei unserem Gewinnspiel mit, wir dürfen zwei Gutscheine à € 30 verlosen! 😀

Fotos: © Biostoffe

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